Fallbeispiel Emilia
1. Klärung des Anliegens
Emilia kommt mit ganz vielen Themen, redet unheimlich viel und schwenkt von einem Thema zum anderen. soll ich das Thema auf der Arbeit nehmen oder lieber an Kindheitsthemen arbeiten. "Ich weiß nicht, was gerade sinnvoll ist und kann mir nicht vorstellen, was man bei Pferden so machen kann." Ich fange an mit ihr ein Pferd zu putzen, lass ihr die Wahl welches und erzähle etwas über das Pferd. Es regnet und wir bleiben im offenen Stall. Emilia striegelt beharrlich auf der gleichen Stelle und fährt langsam runter. Die Anspannung fällt zusehend von ihr ab. Ein anderes Pony steht währenddessen vor dem Stall im Regen. Da platzt es aus Emilia raus. Sie wird fast wütend, warum dieses dumme Pony draußen steht und nicht wie die anderen am Heu steht. Das ist wie mit meiner neuen Kollegin, die immer eine Extrawurst ist und die pausen nicht gemeinsam mit ihr und der Kollegin verbringt. Es kristallisiert sich heraus, dass Emilia sich von der neuen und jüngeren Kollegin herabgesetzt fühlt, die in vielen Punkten etwas anders macht als es sich zwischen ihr und der alten Kollegin eingespielt hatte.
2. Intervention
Hier brauche ich mir keine Intervention mehr auszudenken, weil sie sich schon von alleine eingestellt hat. Ich lasse Emilia mal machen und lasse ihr offen, was und wie sie diese Situation hier gerne ändern möchte. Sie stellt sich also raus zu dem Pony, das immer noch im Regen steht und dabei auch noch von den anderen wegschaut. Emilia redet auf das Pony ein, sie kommt in einen richtigen Redeschwall. Warum es denn so dumm ist im Regen zu stehen, warum es nicht mit den anderen gemütlich fressen will, warum es keinen Kontakt aufnimmt, warum es noch nicht mal zuwendet.... Es ändert sich nichts. Pony steht im Regen. Emilia wird auch immer nässer. Irgendwann wird es ihr zu dumm und sie stellt sich zu den anderen beiden Pferdchen, die zufrieden nebeneinander stehen und im Trockenen gechillt fressen. Mit gezielten Fragen kommt Emilia zu dem Schluss, dass es den beiden Pferden am Heu richtig gut geht. Und dem Pony im Regen anscheinend auch. Es hätte ja die Möglichkeit jederzeit seine Position zu verändern. Es wäre genug Platz, Heu und Offenheit da. Das Pony ist ja auch schon "erwachsen" und kann alleine entscheiden.
3. Reflexion
"Ja, ich denke häufig, dass ich weiß, was für andere besser ist. Wenn ich ehrlich bin, fing das schon als Kind an, dass ich die Ehe meiner Eltern lenken wollte" Und schon sind wir im Systemischen angekommen, was ja auch ein Anliegen von ihr war. Wie sich doch unser Muster von Kind an wiederholen....:) Sie reflektiert alleine:" Also ich wäre voll zufrieden mit meiner alten Kollegin, wenn ich den Gedanken fallen lassen könnte, übe meine neue Kollegin bestimmen zu wollen, weil ich es besser weiß." Ich mache mit ihr "The works" von Byron Katie, um sich von dem Gedanken zu verabschieden.
4. Rolle der Pferde
Über das Putzen und Berühren der Pferde, das rythmische Kauen, fährt das Nervensystem runter, das Kuschelhormon Oxytocin wird produziert und verschafft uns ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Das führt zum Runterfahren vom Gedankenchaos im Kopf. Durch das nach außen verlagern des inneren Bildes, das oft durch die Pferde ganz alleine passiert, nimmst Du eine Metaperspektive ein. Durch die Rollen der Pferde, bist du nicht mehr auf der Verstandesebene unterwegs und wiederholst all deine Gedanken, die Du Dir schon im Bezug auf die Situation gemacht hast. Neue Gedanke und Sätze kommen aus Deiner Tiefe heraus und erst danach merkst Du die Wahrheit dahinter und bekommst diese tiefen Aha-Momente. Durch das "Auslagern" nimmst Du dieses Bild und die das Gefühl damit, mit in Deinen Alltag. Das ist Veränderung im Unterbewusstsein und wirkt transformierend und nicht nur oberflächlich über den Verstand, wie es bei einer Gesprächstherapie häufig ist.